Evaluation der Schuleingangsstufe (2011–2013)

Der Eintritt in die Grundschule ist für die Kinder ein wichtiger Schritt in ihrer Bildungslaufbahn. Mit dem Schuljahr 1999/2000 traten Neuregelungen für die Schuleingangsstufe in Kraft. Diese wurden einer erneuten Evaluierung unterzogen, die vor allem die zunehmende Notwendigkeit der Entwicklung spezieller Fördermaßnahmen für Kinder mit anderen Erstsprachen als Deutsch in den Fokus des Forschungsinteresses stellte.

Ausgangslage/Projekthintergrund

Ab dem Schuljahr 1999/2000 wurden alle bis zum 1. September des Kalenderjahrs schulpflichtig gewordenen Kinder in die Schule aufgenommen und dort entsprechend ihrem Reife- bzw. Entwicklungsstand entweder auf der Vorschulstufe oder auf der ersten Schulstufe unterrichtet. Die davor bestehende Möglichkeit einer "Zurückstellung" nicht schulreifer Kinder in die familiäre Betreuung bzw. in den Kindergarten wurde abgeschafft. Auch die Schulorganisation wurde verändert. Die Grundstufe I (Vorschulstufe, erste und zweite Schulstufe) kann entweder mit einer eigenständigen Vorschulklasse oder mit sogenannten Schuleingangsklassen (gemeinsames Angebot von Schulstufen der Grundstufe I) geführt werden. Ein weiteres Novum bestand darin, dass Wechsel zwischen den einzelnen Schulstufen der Grundstufe I auch während des Schuljahrs möglich sind.

Auch aus dem Bestreben, die Deutschkompetenzen der Schulanfänger/innen zu verbessern, ergaben sich neue Anforderungen an die Gestaltung der Schuleingangsstufe. So wurde, um möglichst früh Sprachstandsfeststellungen durchführen zu können, die Schülereinschreibung vorverlegt. Zudem implizierte die 2008 eingeführte "Frühe sprachliche Förderung im Kindergarten" eine stärkere Notwendigkeit zur Zusammenarbeit von Kindergarten und Schule.

Vorliegende Evaluationsbefunde

Forschungsbefunde weisen darauf hin, dass die Schuleingangsklassen und die Verpflichtung zur Einschulung aller 6-Jährigen sowohl von Eltern als auch von der Lehrerschaft nicht ungeteilt befürwortet werden. Eltern reagierten auf die neue Situation teilweise damit, dass sie ihre Kinder für das erste Lernjahr zum häuslichen Unterricht anmeldeten. Die zum Zeitpunkt der Untersuchung erhobenen Zahlen lassen vermuten, dass diese Tendenz nach wie vor besteht.

Durch die Sprachförderung im Kindergarten sind Fördermaßnahmen am Beginn der Schullaufbahn nicht obsolet geworden. Bislang gelingt es aus verschiedenen Gründen nicht (z. B. zu kurzer Kindergartenbesuch, unzureichende Lernbedingungen im Kindergarten), dass alle Kinder vor der Einschulung ausreichende Deutschkenntnisse für den Schulbesuch erwerben.

Schul- und Unterrichtsorganisation

Die Schuleingangsphase kann sehr vielfältig gestaltet sein. Die Kinder werden in Abhängigkeit von ihrem Entwicklungsstand teilweise auf der Vorschulstufe, teilweise auf der ersten Schulstufe eingeschult. Zudem sind Unterrichtsorganisation und Gestaltung der Sprachfördermaßnahmen von regionalen Gegebenheiten abhängig. So können Schulanfänger/innen in Vorschulklassen, Schuleingangsklassen oder ersten Klassen unterrichtet werden. Die Deutschförderung und die muttersprachliche Förderung sind in Abhängigkeit von den Schülerzahlen am Standort unterschiedlich organisiert: Sprachförderkurse, besonderer Förderunterricht und muttersprachlicher Unterricht finden sowohl in integrativen als auch in segregativen Settings statt.

Vor diesem Hintergrund hat das BMUKK – wie im "Regierungsprogramm 2008–2013" vorgesehen – dem BIFIE (nunmehr IQS) den Auftrag erteilt, die Schuleingangsphase erneut zu evaluieren. Es wurde vereinbart, in den Teilbereichen "Häuslicher Unterricht" sowie "Lernerfolge und Befindlichkeit" den folgenden Fragestellungen nachzugehen.

  1. Häuslicher Unterricht
    Wie hat sich der häusliche Unterricht in der Schuleingangsphase quantitativ entwickelt und aus welchen Gründen entscheiden sich Eltern für diese Form des Unterrichts am Beginn der Schullaufbahn? Zeigen sich dabei Unterschiede in Abhängigkeit von der Organisation der Schuleingangsphase?
  2. Lernerfolge und Befindlichkeit
    2a. Retrospektive Analyse vorhandener Datensätze
    Zeigen sich bei Kindern mit anderen Erstsprachen als Deutsch Unterschiede in Bezug auf
  • Testleistungen,
  • Schulnoten,
  • Befindlichkeit in der Schule und
  • Schullaufbahnverzögerungen

in Abhängigkeit davon, ob sie auf der ersten Schulstufe oder auf der Vorschulstufe eingeschult wurden?

2b. Prospektive Längsschnitt-Studie
Nach welchen Kriterien entscheiden Schulleiter/innen, ob ein Kind mit einer anderen Erstsprache als Deutsch in die Vorschulstufe oder die erste Schulstufe aufgenommen wird? Welche Fördersituationen finden die Kinder mit anderen Erstsprachen in unterschiedlichen Unterrichtssettings vor und wie verläuft die Entwicklung dieser Kinder bis zum Ende der Grundstufe I?

Die Befunde aus den Evaluationsmaßnahmen wurden laufend in die im Herbst 2011 im BMUKK eingerichtete Arbeitsgruppe Schuleingangsphase eingebracht.

Das Forschungsvorhaben wird in drei Teilprojekten umgesetzt.

Teilprojekt 1 "Häuslicher Unterricht"

Frühere Evaluationsbefunde zeigen Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich der Anteile von Kindern, die am häuslichen Unterricht teilnehmen. In einem ersten Schritt wurde überprüft, ob dies nach wie vor zutrifft. Danach wurde der Frage nachgegangen, ob unterschiedliche Regelungen in den jeweiligen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzen bzw. unterschiedliche Organisationsformen der Schuleingangsstufe mit dem Ausmaß an häuslichem Unterricht in Verbindung stehen. Darüber hinaus wurden die Motive der Eltern für die Inanspruchnahme häuslichen Unterrichts erhoben sowie die Einstellungen und Erfahrungen der für die Abwicklung zuständigen Bezirksschulinspektorinnen und -inspektoren analysiert.

Forschungsmethoden: Literaturrecherche, quantitative Analyse der dem BMUKK vorliegenden Daten, Dokumentenanalyse der Kinderbildungs- und -betreuungsgesetze der Bundesländer, qualitative Analysen der mittels Leitfadeninterviews (Eltern/Bezirksschulinspektorinnen/Bezirksschulinspektoren) erhobenen Daten.

Teilprojekt 2 "Lernerfolge und Befindlichkeit – retrospektive Analyse"

In diesem Teilprojekt wurde der Frage nachgegangen, ob sich Kinder mit anderen Erstsprachen, die auf der Vorschulstufe eingeschult wurden, von Kindern mit anderen Erstsprachen, die auf der ersten Schulstufe eingeschult wurden, unterscheiden. Geprüft werden sollte, ob sich Unterschiede in Bezug auf Schulnoten, Testleistungen, Befindlichkeit in der Schule sowie hinsichtlich der Zuerkennung bestimmter Fördermaßnahmen (Sonderpädagogischer Förderbedarf, Status als außerordentliche Schülerin/außerordentlicher Schüler) zeigen. Die Analyse erfolgte auf Basis des Datensatzes "Baseline-Testung Bildungsstandards 4. Schulstufe" (2010) und einer Auswertung der Bildungsdokumentation.

Forschungsmethoden: inferenzstatistische Analysen

Die Ergebnisse dieses Teilprojekts zeigten, ob Kinder mit anderen Erstsprachen vom Besuch der Vorschulstufe profitieren, das heißt, ob sie auf der 4. Schulstufe dieselben oder bessere Leistungen erreichten als Kinder mit anderen Erstsprachen, die ihre Schullaufbahn auf der ersten Schulstufe starten. Gleichzeitig waren die Befunde aber in ihren Aussagen begrenzt, da nicht geklärt werden kann, inwiefern Defizite in der Unterrichtssprache Deutsch und inwiefern mangelnde Schulfähigkeit im klassischen Sinn (unabhängig von der Deutschkompetenz) Anlass für die Einschulung eines Kindes auf der Vorschulstufe waren. Auch war nicht bekannt, ob sich die beiden Settings in der Form der sprachlichen Förderung unterscheiden. Zur Aufklärung dieser Fragen sollte Teilprojekt 3 beitragen.

Teilprojekt 3 "Lernerfolge und Befindlichkeit – prospektive Längsschnitt-Studie"

Im Teilprojekt 3 wurde angestrebt, insgesamt rund 100 Kinder mit anderen Erstsprachen an etwa 40 Volksschulen über den gesamten Verlauf der Grundstufe I empirisch zu begleiten, um folgende Fragen zu klären:

1. Unterscheidet sich die Fördersituation von Kindern in Abhängigkeit von

  • der schulorganisatorischen Ausgestaltung der Schuleingangsstufe (Vorschulklasse vs. Schuleingangsklassen),
  • der Einschulungspraxis (Vorschulstufe trotz Schulreife vs. erste Schulstufe)?

2. Welche Unterschiede zeigen sich zwischen als schulreif eingeschätzten Kindern mit anderen Erstsprachen, die auf der ersten Schulstufe eingeschult wurden, und jenen ebenfalls als schulreif angesehenen Kindern, die auf der Vorschulstufe eingeschult wurden, am Ende der Grundstufe I in Bezug auf

  • die Schulnoten/Leistungseinschätzungen der Lehrpersonen,
  • die Schulfreude,
  • das schulische Selbstkonzept?

Des Weiteren sollten Einsichten über den Umgang der Schulen mit den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der Schuleingangsphase, den Vorgangsweisen bei der Einschulung sowie der Umsetzung der standortbezogenen Förderkonzepte in der Grundstufe I gewonnen werden.

Die in die Studie einbezogenen Volksschulen werden unter zwei Gesichtspunkten ausgewählt:

  • "Good Practice" im Bereich der frühen sprachlichen Förderung (Nominierung durch die Schulverwaltung) und
  • Umsetzung unterschiedlicher Förderkonzeptionen im Bereich Sprachförderung (Sprachförderkurse in verschiedenen Organisationsformen, Betonung des muttersprachlichen Unterrichts, besonderes Engagement an der Nahtstelle zum Kindergarten, Einbindung außerschulischer Fördermaßnahmen). Auch die unterschiedlichen schulorganisatorischen Settings fanden Berücksichtigung.

Forschungsmethoden: Interviews (Schulleiter/innen, Lehrer/innen, Schüler/innen), schriftliche Befragungen (Schulleiter/innen, Lehrer/innen, Schüler/innen am Ende der Grundstufe I), Dokumentenanalyse

Im Rahmen des Teilprojekts 3 wurde Ende 2012 eine telefonische Befragung von Schulleiterinnen und Schulleitern durchgeführt, die Auskunft über die Vorgehensweisen bei der Schülereinschreibung sowie über Fördermaßnahmen für Kinder mit anderen Erstsprachen als Deutsch gab (weiterführende Informationen siehe unten).

Die weiteren Vorhaben im Teilprojekt 3 wurden nicht realisiert, da das BMBF im Mai 2013 ein neues Konzept zur umfassenden sprachlichen Förderung vorlegte und in der Folge in allen Bundesländern Netzwerkprojekte zur umfassenden Sprachförderung (Start mit Schuljahr 2013/14) und zum Übertritt vom Kindergarten in die Volksschule (Start mit Schuljahr 2014/15) initiierte. Diese Projekte wurden ebenfalls vom BIFIE (nunmehr IQS) evaluativ begleitet (vgl. Evaluation der Netzwerke Sprachförderung und der Netzwerke Kindergarten – Volksschule).

Berichtlegung

In zusammenfassenden Berichten (Amtmann & Stanzel-Tischler 2013, Stanzel-Tischler 2013) sind die Befunde der formativen Evaluation veröffentlicht und als Downloads verfügbar.

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