Formative Evaluation der inklusiven Modellregionen (2013–2019)

Im Rahmen der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurden in Österreich drei inklusive Modellregionen definiert, in denen Maßnahmen zur Implementierung eines inklusiven Schulwesens entwickelt und erprobt wurden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen für die schrittweise Ausweitung auf das gesamte Bundesgebiet nutzbar gemacht werden. Im Rahmen der formativen Evaluation wurden diese Maßnahmen begleitet. Dabei sollten sowohl die Entwicklungs- und Erprobungsarbeit in den Modellregionen durch empirische Evidenz unterstützt als auch die in den Modellregionen gemachten Erfahrungen wissenschaftlich aufbereitet und für die Weiterentwicklung und Ausweitung der Inklusion zur Verfügung gestellt werden.

Ausgangslage/Projekthintergrund

Mit Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. III 155/2008) hat sich Österreich dazu verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Für das Bildungswesen ist insbesondere Art. 24 relevant, der ein inklusives Bildungswesen vorsieht. Im Nationalen Aktionsplan des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wurde dazu unter anderem als Maßnahme 125 formuliert: "Entwicklung von Inklusiven Modellregionen. Erfahrungssammlung und darauf aufbauend Erstellung eines detaillierten Entwicklungskonzeptes sowie flächendeckender Ausbau der Inklusiven Regionen bis 2020."

Diese inklusiven Modellregionen wurden in Kärnten, der Steiermark und in Tirol eingerichtet; das BIFIE (nunmehr IQS) wurde mit der Begleitung in einer formativen Evaluation beauftragt.

Zielsetzung der Evaluation

Im Vordergrund des Projekts stand die Auslösung von Entwicklungs- und Lernprozessen. Dies ergab sich aus der Tatsache, dass die Inklusion zunächst noch nicht flächendeckend eingeführt wurde, sondern vorerst in einzelnen Regionen. Die dort gemachten Erfahrungen sollten in vorliegendem Projekt beobachtet, beschrieben und aufbereitet werden, um sie für die spätere Ausweitung nutzbar zu machen. Dabei sollte – im Sinne der gesetzlichen Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention und der im Nationalen Aktionsplan Behinderung (NAP) 2012–2020 angeführten Zieldefinitionen und Maßnahmenpakete – die Erweiterung eines inklusiven Schulwesens auf Bundesebene erreicht werden.

Gleichzeitig sollten mit den begleitenden Datenerhebungen und -analysen auch Fortschritte in der Implementation inklusiver Modellregionen sichtbar gemacht und dokumentiert werden. Damit wurde jedenfalls auch Steuerungswissen generiert, das für begleitende Unterstützungsmaßnahmen relevant war.

DDie Anlage des vorliegenden Evaluationsvorhabens war daher formativ: Primäres Anliegen war es, den Implementationsprozess der inklusiven Modellregionen bestmöglich durch Daten zu unterstützen und zu begleiten. Da in den einzelnen Regionen bzw. Bundesländern diesbezüglich unterschiedliche Entwicklungen im Gange waren, sollten die (Zwischen-)Ergebnisse der Evaluation eine Gelegenheit zum Peer Learning bieten, indem Daten zu besonderen Rahmenbedingungen, aber auch zu Fallstricken und möglichen Hemmnissen aufbereitet und zur Verfügung gestellt wurden.

Inklusion bezieht sich grundsätzlich auf die gesamte Bandbreite möglicher Diversität, von der Hochbegabung über sprachlich-kulturelle Unterschiedlichkeiten bis zu verschiedenen Formen der Beeinträchtigung. Die Implementation der inklusiven Modellregionen zeichnete sich durch eine komplexe Mehrebenenkonstellation aus, die von der übergeordneten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ausging und sich durch mehrere Entscheidungsebenen (Bund, Land, Gemeinden) mit jeweils wieder in sich komplexen Strukturen, die miteinander interagieren, hinzog.

Daher war es erforderlich, sich auf wesentliche Aspekte des Implementationsprozesses zu konzentrieren, dabei aber den Gesamtkontext nicht aus dem Blick zu verlieren. Abgesehen davon, dass zunächst eine geografische Einschränkung auf die derzeit nominierten inklusiven Modellregionen erfolgte, konzentrierte sich die Evaluation auch auf inhaltlich und strategisch "neuralgische Punkte" des Umsetzungsprozesses, nämlich (1) die Rahmenbedingungen der Umsetzung, (2) eine inklusive Schul- und Unterrichtsentwicklung und (3) Einflussvariablen für den Erfolg der Implementation sowie (4) in Ansätzen auch Strukturdaten zum Kontext, in den die Inklusion eingebettet wurde.

Projektstruktur

Im Sinne des nutzungsorientierten Ansatzes der formativen Evaluation (Utilization-focused evaluation, Patton) wurde eine Evaluationssteuergruppe eingerichtet. Diese Steuergruppe sollte sicherstellen, dass die Inhalte und Methoden der Evaluation angemessen und für die Weiterentwicklung der inklusiven Modellregionen nützlich waren. Weiters war es auch im Sinne der formativen Evaluation, dass deren Ergebnisse in die Weiterentwicklung bzw. Ausweitung der inklusiven Modellregionen eingespeist wurden. Zur Erfüllung dieser Aufgaben setzte sich die Steuergruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Entscheidungsträger/innen und einer fachwissenschaftlichen Begleitung zusammen.

  • Koordination durch das BIFIE, Department Evaluation, Bildungsforschung & Berichterstattung (nunmehr IQS, Ref. 1/4)
  • Vertreter/innen des Unterrichtsressorts
  • Umsetzungsverantwortliche in den Ländern Steiermark, Kärnten und Tirol
  • Leitung des Bundeszentrums Inklusive Bildung und Sonderpädagogik
  • Leitung des Arbeitsbereichs Integrationspädagogik und Heilpädagogische Psychologie an der Universität Graz/Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft
  • außerösterreichische Expertin (Universität Koblenz)

Methodische Umsetzung

Die Gewinnung der Daten erfolgte auf Basis einer Triangulation quantitativer und qualitativer Methoden (Fragebogenerhebung, Interviews, Dokumentenanalyse etc.).

Die Fragebogenmethode eignet sich besonders, um eine größere Menge an Personen ökonomisch zu definierten Interessengebieten, im konkreten Fall zu den Variablen für den Erfolg der Imple­mentation, zu befragen, aber auch zur systematischen Erhebung von Gegebenheiten. Dabei wurden Zielgruppenbefragungen auf verschiedenen Ebenen der Steuerung bzw. Umsetzung, z. B. Schulleiter/innen, Leiter/innen von Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, durchgeführt.

Im Zuge von explorativen Fallstudien erfolgten Standortbestimmungen bzw. Bestandsaufnahmen jener Regionen, die eine Umsetzung inklusiver Prinzipien anstrebten. Zentrales Anliegen war es dabei, einen umfassenden Blick auf erste Erfahrungen/Schwierigkeiten aus diesen ersten "Pionier-Regionen" zu erhalten, mit dem primären Ziel, die gewonnenen Erkenntnisse für die Implementierung und Weiterentwicklung inklusiver Modellregionen nutzbar zu machen. Der qualitative Zugang eignete sich in diesen Fällen durch seine Offenheit und Nichtdeterminierung durch vorgegebene Antwortalternativen.

Fallstudien zu Implementationsmaßnahmen, die in hohem Maße föderal bzw. dezentral organisiert werden, erfordern auch dezentrale, aber koordinierte Vorgangsweisen. Die Koordination der Evaluationsaktivitäten und deren synoptische Analyse erfolgte durch das BIFIE (nunmehr IQS), das auch für die Koordinationssitzungen verantwortlich zeichnete. Die Mitglieder des Netzwerks setzten sich aus Lehrenden und einschlägig wissenschaftlich Arbeitenden der Pädagogischen Hochschulen zusammen, wobei die Institutionen aus den Bundesländern mit bereits eingerichteten inklusiven Modellregionen Priorität hatten.

Berichtlegung

Im Sinne der Zielsetzungen der formativ angelegten Evaluation wurden die (Zwischen-)Ergebnisse der Evaluationsmaßnahmen in regelmäßigen Abständen an das BMB (nunmehr BMBWF) als Auftraggeber und die Umsetzungsverantwortlichen in den Modellregionen rückgemeldet. In einem ersten Bericht wurden Einschätzungen der Ausgangslage durch entscheidungsrelevante Personen veröffentlicht (Svecnik, Sixt & Pieslinger 2017). In weiteren Berichten folgten fokussierte Analysen (Fallstudien) zu den Implementationsprozessen der Inklusion in den drei Modellregionen (Svecnik, Petrovic & Sixt [Hrsg.] 2017), zu Umsetzungsstrategien für besondere Herausforderungen der Inklusion (Svecnik & Petrovic [Hrsg.] 2018) sowie zu Transformationsprozessen und Inklusion im Zusammenhang mit Sprache (Svecnik & Petrovic [Hrsg.] 2019). In einem abschließenden Gesamtbericht sind die Ergebnisse der begleitenden Evaluation synoptisch zusammengefasst (Klimann, Skliris & Svecnik 2020).

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